Dienstag, 22. Mai 2012

STELLUNGNAHME ZUR STREICHUNG DER FÖRDERUNG FÜR AUSSTELLUNGSRÄUME

Mit der zu Beginn dieses Jahres in der Schweiz in Kraft getretenen, neuen Kulturförderungsverordnung hat sich die Situation von selbstorganisierten, nicht kommerziellen Räumen massiv verschlechtert. Anders als Institutionen wie Kunsthallen oder Museen stehen selbstorganisierten Räumen keine gesicherten, kontinuierlichen Fördergelder oder Subventionen auf städtischer oder kantonaler Ebene zur Verfügung. Wir müssen alle Gelder durch Gesuche an öffentliche und private Stiftungen einbringen. Die Streichung, beziehungsweise das unerklärte „Verschwinden“ von CHF 220‘000, die dem Bundesamt für Kultur bis anhin erst als sogenannte Jahressubventionen an Kunsträume zur Verfügung standen und die vor ein paar Jahren in «Preise für Kunsträume» umgeformt wurden hat dabei verheerende Auswirkungen. Damit fällt nicht nur dringend notwendige und mit vergleichsweise wenig administrativen Aufwand verbundene, nicht projektgebundene Unterstützung weg; es entsteht zudem ein größerer Druck auf andere Stiftungen und Institutionen. Dieser führt bereits jetzt dazu, dass die Beiträge von anderen Stellen oft kleiner ausfallen als in den Vorjahren oder nicht mehr jedes Jahr vergeben werden. Uns fehlt Geld, viel Geld! Ein halbes Jahr nach dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes zeichnet sich bereits ab, dass wir unter diesen Bedingungen unsere Räume nicht oder nur sehr reduziert weiter betreiben können.

Daher möchten wir mit dieser Stellungnahme einerseits über unsere Lage informieren und daraus abgeleitet folgende Forderungen aufstellen:

    •    Als Organisator_innen selbstorganisierter, nicht kommerzieller Räume waren wir schon vor diesem Jahr nicht oder kaum bezahlt für unsere Arbeit. Schon vor den aktuellen Veränderungen war es bereits schwierig die Gelder für unsere Räume aufzutreiben. Hier gibt es keinen Spielraum für Kürzungen!

    •    Seit diesem Jahr gibt es vom Bund keine Gelder mehr für Ausstellungsräume. Die Städte und Kantone reagierten bisher nicht durch eine Erhöhung ihrer Beiträge und auch private Stiftungen ziehen sich teilweise zurück oder reduzieren die Unterstützung. Unsere Lage geht daher alle etwas an: Die Zuständigen bei den Städten und Kantonen, bei BAK, Pro Helvetia und den privaten Stiftungen!

    •    Einige selbstorganisierte Räume bestehen nur für kurze Zeit, andere gibt es seit über 20 Jahren. Ob kurz oder lang, wir haben diese Arbeitsform bewusst gewählt, gerade weil sie sich in Zwischenbereichen und abseits festgeschriebener Positionierungen verortet. Diese Zwischenräume sind Freiräume!

    •    Selbstorganisierte Räume sind ausgesprochen unterschiedlich. Diese Vielfalt kann nicht in einfache Raster gefasst werden und braucht daher vielteilige Förderstrukturen, die aus unterschiedlichen Perspektiven auf diese Vielstimmigkeit eingehen können. Wir fordern Freiräume auch in der Kulturförderung!

    •    Selbstorganisierte Räume sind Räume für Experimente, Orte an denen in anderen Zeitlichkeiten gearbeitet werden kann, an denen die Bereiche und Rollen beweglich sind und sich oft kollaborative Zusammenhänge ergeben. Räume für scheue Anfänge, für Kunstformen die sich an diesen Orten am wohlsten fühlen und für Künstler_innen und viele Andere die sich gerne in vielen unterschiedlichen Kontexten bewegen. Wenn das verschwindet fehlt viel, sehr viel!

    •    Unsere Arbeit besteht nicht nur aus Projekten, sondern aus kontinuierlichen, langzeitig angelegten Prozessen mit offenem Ausgang. Diese Lücke ist der Raum in dem vieles entsteht, das and anderen Orten nicht entstehen kann. Daher braucht es eine Förderung, die nicht nur engumfasste Projekte sondern fortlaufende Strukturen und Arbeit unterstützt.

    •    Wir weigern uns Zuliefernde für eine kommerzialisierte Kunstszene zu sein, die uns und die Künstler_innen mit lauen Versprechen auf die Zukunft vertröstet aber über das Bezahlen von Arbeit und die Kosten von Räumen nicht sprechen will. Unsere Arbeit, die Arbeit von Künstler_innen und von vielen anderen im Kulturbetrieb muss endlich als solche anerkannt werden! 

    •    Preise sind kein wirksames Förderinstrument! Ähnlich wie Leuchttürme zeichnen sie das scheinbar Besondere aus, nicht die Vielfalt. Dies zeigt sich insbesondere dann, wenn Preise – wie die Art Awards – in der Anzahl reduziert werden oder es nur noch einen davon gibt; wie die public private partnership Swiss Exhibition Award. Neben der Tendenz zur Vermarktung stossen wir uns hier an der inflationären Verwendung des Wortes „Swiss“.



Andrea Thal, Les Complices*
Irene Grillo, Sarah Infanger, Urs Lehni, Philip Matesic, Jeanette Polin, Stefan Wagner, Corner College
Andreas Marti, Dienstgebäude
Daniel Suter, Marks Blond Project 
Chri Frautschi, lokal-int 
Nicola Ruffo, Wäscherei Kunstverein Zürich
Martina-Sofie Wildberger und Raphael Juillard, Galerie J
Nadine Wietlisbach, sic! Raum für Kunst 
Nadja Baldini und Beat Huber, eggn' spoon
Ba Berger, Raum No 6 
Ramon Feller, Projekt Da
Pascal Häusermann, Kunstkammer

3 Kommentare:

  1. "Wenn ein Land seine eingene Kultur nicht schützt geht die ganze Gesellschaft die darin lebt zugrunde... Kunst und Kultur Ist ein Eckpfeiler unserer Gesellschaft. Begreift doch das endlich, das das im engen Zusammenhang steht mit unserem Verhalten in ALLEN Lebensangelegenheiten!! Somit ist auch die Antwort gegeben zur typisch schweizerischen Frage " Ah bist Küsntler.. und von dem kannst du LEBEN?? "
    Wenn schon der Staat es vormacht empfindet das Volk das als Normal, das mann Künstler eher bedauert und nicht ernst nimmt anstatt, wie alle anderen Kulturen es tun, die wichtigkeit des Kulturschaffenden wahrnimmt und demensprechend reagiert. Solche Bundesentschei(ssrdeck) treffen uns schwer und die Mühlen gegen die wir kämpfen müssen werden noch grösser, dann bleibt dann keine Zeit mehr Kunst überhaubt zu machen..."
    Ich find echt traurig sowas....

    Thomas Sarbach, Kunstmaler

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  2. habe euren blogeintrag STELLUNGNAHME ZUR STREICHUNG DER FÖRDERUNG FÜR AUSSTELLUNGSRÄUME auf facebook geteilt, da kam das anliegen ob man es nicht auf italieniesch übersetzen könnte.
    ich finde das anliegen sehr wichtig und die schwez ist ja nicht nur zürich. darum wäre es wohl schön dies auch auf französisch und italienisch zu lesen.
    grüsse
    costa vece

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    1. lieber costa

      wir versuchen dies nachzuholen. allerdings beträgt unser budget für übersetzung bis jetzt null franken. vielleicht findet sich jemand, der dies übernehmen würde? wenn ja, bitte auf charta2016@gmail.com melden.

      charta2016

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